Dreschfesterlebnis der "Anna-Maria"

Eine kleine Geschichte von Ulrike Wittkowski

Ein ganzes Jahr und noch viel, viel länger ist das 10. Dreschfest der " Freunde der Alten Landmaschinen" geplant.  Am Sonntag , den 09.08.2009 sollte das Spektakel beginnen. Die Monate und Tage rasten dahin. Das im März gesähte Korn wuchs und gedieh auf dem Feld, direkt vor meiner Haustür . Oft blinzelte ich über das saftige Grün und vor lauter Freude drehte ich meine Flügel. Der blaue Himmel mit seinen silbrigen Schäfchenwolken sahen mir dabei zu.  Auch die volle  runde Sonne strahlte über ihr ganzes Gesicht .

Bei der Maschinenhalle, gleich bei mir um die Ecke, am Flahkamp, waren die "Freunde der Alten Landmaschinen" emsig bei der Arbeit.

Immer öfter drang lautes Getöse und Geklopfe zu mir herüber . Die sonst so stillen Abendstunden waren um ihre Ruhe gebracht . So vergingen einige Wochen und mir fiel auf, das das Getreide sein Grün verloren hatte. Es war gereift und konnte gemäht werden.  Aber in diesem Jahr sollte doch alles wie " Früher " dargestellt werden.  An einem sonnigen Wochentag bubberte ein Traktor aus der Halle , er hatte einen Selbstbinder hintergespannt. Wann hatte ich so etwas zuletzt gesehen, ich war neugierig , denn ich kannte es noch. Der Traktor fuhr mit dem Selbstbinder das Getreidefeld auf und ab, bis der letzte Halm gemäht war . Der Selbstbinder teilte das gemähte Getreide in Bündel. in sogenannte Garben, die auf dem Acker umherlagen . So eine Unordnung dachte ich und drehte mich zur anderen Seite.  Hier schaute ich den Turm unserer St. Petri Kirche an , deren Abendglocken gerade den Feierabend einläuteten. Welch eine Idylle über unser Dorf Mulsum , das mich , Anna-Maria, in ihrem Wappen trägt. Ich fühlte mich geschmeichelt und mit erhobenem Haupt schaute ich zurück auf das gemähte Getreidefeld. Hier war inzwischen aufgeräumt , lauter kleine Häufchen ( Hocken ) aus Getreidegarben standen in Reihen auf dem Feld , die von der Sonne und dem Wind trocknen mussten. Jetzt wurde es auch um mich herum unruhig . Der Müller , mein Besitzer mit seiner Familie und einige Helfer des Vereins  fingen an, mich fein zu machen. Für das Dreschfest in meiner nächsten Nachbarschaft . Der Rasen um mich herum wurde gestochen scharf gemäht und das Kopfsteinpflaster sah aus,  wie mit dem Staubsauger gesaugt.  Ja, sogar mein Inneres wurde durchgepustet, denn in mir sollte eine Ausstellung stattfinden.

Auf dem Festplatzgelände rückten nun schon Gäste aus weiter Ferne an, die ihre Bulldogs zur Schau stellten. Es war ein Bubbern und Tuckern um mich herum, wie ich es aus alten Zeiten gewohnt war. Der Duft von Bratwurst und Pommes stiegen mir zu den Flügeln empor. Hier und da hatten sich bunte Luftballons in luftige Höhen verirrt. Unsere rot- weißen Blasmusikanten spielten ihre Lieder , Ehrengäste wurden vom Vorsitzenden begrüsst und ich durfte kostenlos zuhören und zusehen.  Ich war ein geduldeter Gast. Doch ich mahle die Körner zu Mehl,  damit ihr alle euer tägliches Brot backen könnt. Ja, so war es Früher und so ist es noch Heute. Ich wäre euch gern ein wichtiger Gast gewesen !

Einige Besucher, die mir Zuneigung schenkten, stiegen in mir hoch , während der Müller ihnen etwas über mich erzählte.  Auf meiner Galerie durften sie um mich herum gehen und ihre Blicke in alle Richtungen schweifen lassen. Fasziniert und beeindruckt stiegen sie aus mir hinunter . Eine Staubwolke meiner alten Freundin, der Buschoff Dreschmaschine der 50iger Jahre zog an mir vorüber . Die Dreschmaschine war noch tätig,  sie drosch die reifen Körner aus den Ähren, solange noch Getreide vorhanden war.

Langsam näherte sich nun das Dreschfest dem Ende. Wie im Gänsemarsch machten sich die Oldis auf den Heimweg.  Weißt du noch, damals, man schwebte in Erinnerungen, die Arbeit, die schweißtreibend, jedoch schön war.  Viele Besucher trafen Bekannte, sie klönten, fachsimpelten und freuten sich,  sich getroffen zu haben.

Ein kräftiges Gewitterschauer mit Hagel und starken Sturmböen fegte über Mulsum mit 50 ml. Regen pro Quadratmeter.  Alles war rein gewaschen, als wäre nichts gewesen.

Veröffentlich mit der  freundlichen Genehmigung der Autorin  Ulrike Wittkovski